AKTIONEN ARMUT KLASSISMUS KRANK UND BEHINDERT PERFORMANCES

Am Rande: Sit-in vorm Bundeskanzleramt

Nichts als die nackte physische Existenz: Armut und Behinderung.


Orte der Diskriminierung von systemisch Erkrankten und Behinderten und Multimorbiden 
Die Bundeskanzlerin Angela Merkel: 
Die Angela Merkel, immerhin seit 2005 Bundeskanzlerin, ignoriert die seit dem zunehmende Diskriminierung von systemisch Erkrankten, Multimorbiden und Behinderten. Als Regierungschefin obliegt ihr die Richtlinienkompetenz. In ihrer Regierungszeit sind folgende Missstände entstanden: Verweigerung des individuellen Existenzminimums, bis das Bundesverfassungsgericht die Bundesregierung 2011 innerhalb von Jahresfrist darauf verpflichtete. Allerdings war die Umsetzung gewollt schlecht, so dass die Gewährung dieses wieder durch die Gerichtsinstanzen jahrelang erstritten werden muss, wiewohl die Kosten sofort anfallen. Hier geht es um untypische Mehrbedarfe in den Sozialleistungen wie krankheitsbedingte Diät und Nahrungsergänzungsmittel, Bekleidung, Haushaltsgeräte, Mobilität, Heizung, etc.. 2014 erklärte das Bundesverfassungsgericht, leider ohne Fristsetzung, dass Sehhilfen zum Existenzminimum gehören und dass diese auf Antrag in den Sozialleistungen zu bezahlen seien. Dies sind nicht im 2005 eingeführten Hartz IV enthalten, obwohl Sehhilfen 2003 aus den Krankenkassenleistungen ausgegliedert wurden. Seitdem haben arme Personen und Bezieher*innen von Sozialleistungen ein großes Problem mit der Finanzierung bzw. müssen darauf verzichten. 2021 wurde dann vom BMAS eine Übernahme im SGB II eingeführt. Da jedoch die Krankenkassen seit 2017 einen Festzuschuss bei hohen Fehlsichtigkeiten zahlen, der jedoch nur einen kleinen Teil der Kosten deckt und nicht das Brillengestell finanziert, gibt es für Bezieher*innen von Sozialleistungen mit hoher Fehlsichtigkeit keinen Übernahme der restlichen Kosten, da hier eine Regelung vergessen wurde. Ein weiteres Beispiel für eine schlampige, schlecht gemachte Umsetzung von verfassungsrechtlichen Massgaben durch die Bundesregierung. Was Behinderte, chronisch kranke und multimorbide Menschen betrifft, so haben Grundrechte und Diskriminierungsverbot in der Ära Merkel einen Tiefpunkt erreicht!

Die noch amtierende Regierung von SPD und CDU beschloss eine Erhöhung des Existenzminimums auf 3 € in 2022, also eine Erhöhung um nicht ganz 1 Prozent, was anbetrachts der aktuellen Inflastionsrate von fast 4 Prozent eine Kürzung ist (https://krass-und-konkret.de/politik-wirtschaft/die-situation-der-armen-kann-nur-durch-eine-umverteilung-von-oben-nach-unten-verbessert-werden/). Bei der Berechnung spielen reale Preise und Bedarfe eben keine Rolle. So orientiert sich die aktuelle Berechnung noch an der Corona-Mehrwertsteuersenkung, die aber schon längst beendet ist (https://taz.de/Erhoehung-der-Hartz-IV-Saetze/!5802043/). Es wird ein Mischpreisindex angesetzt, damit werden die realen Preissteigerungen und Bedarfe nicht abgebildet, besonders trifft dies die Grundbedarfe, Lebensmittel und Energie. Der Regelsatz ist seit Einführung von Hartz IV 30 Prozent gestiegen, die Strompreise in der Grundversorgung jedoch um 80 Prozent, so dass eine erhebliche Lücke zu den realen Kosten besteht (https://www.merkur.de/wirtschaft/hartz-iv-4-strompreis-alg-2-regelsatz-anstieg-2022-luecke-deutschland-zr-91004870.html). Es geht auch nicht um gesunde Ernährung (https://taz.de/Hartz-IV-und-Ernaehrung/!5803281&s=strauchtomate/).

Das aktuell von der Paritätischen in Auftrag gegebene Rechtsgutachten erklärt diese Regelsätze für verfassungswidrig (https://www.der-paritaetische.de/alle-meldungen/neues-rechtsgutachten-hartz-iv-regelsatz-verfassungswidrig/).

Noch schlechter sieht es für chronisch Kranke, behinderte und alte Personen aus, die Sozialleistungen bekommen oder eine niedrige Rente haben.

Während der Regierungszeit Merkel stellte das Bundesverfassungsgericht 2010 fest, dass im Existenzsicherungsrecht die Bedarfe individuell zu berechnen sind. Dies betrifft besonders systemisch Erkrankte, Multimorbide oder auch seltene Krankheiten. Es wurde schon im Rahmen der Einkommens-und Verbrauchsstichprobe gar nicht ermittelt wie die einzelnen Bedarfe sind, sondern nur die Norm.

Kranke und Behinderte, die ohnehin höhere Bedarfe haben, die ihnen idR verweigert werden, trifft dies besonders. Aber die Bundesregierung interessiert sich nicht für Kranke und Behinderte, die nicht mehr arbeiten können. Diskussionen im Parlament kreisen lediglich darum, wie Personen in Arbeit gebracht werden können (wenn dies gesundheitlich möglich ist). Diese Themen sind unangenehm, kosten Geld, das lieber für Lobby-starke Gruppen ausgegeben wird. Ich suche daher für nächstes Jahr eine Partei, die eine kleine Anfrage stellen kann und die Bundesregierung dazu befragt, was sie eigentlich von systemisch Erkrankten und Multimorbiden, die in Armut leben, weiß bzw. ob deren physische Existenz überhaupt noch gesichert ist.

Die Politik hat das Konzept von Gerechtigkeit völlig aufgeben. Es gibt keine Basisgerechtigkeit, sondern etwas, was dem Kastensystem gleich kommt. So ist überhaupt nicht zu verstehen, warum Personen  mit Einkommen Geld wegen ihrer Behinderungsgrade behalten dürfen, wenn sie so viel Einkommen haben, dass das Behindertenpauschgesetz wirken kann. Personen, die Leistungen nach dem Existenzsicherungsrecht bekommen, bekommen bei Behinderung nichts, obwohl Behinderungen Mehrbedarfe nach sich ziehen und die Berechnung des Existenzminimums sich aber an dem Durchschnitt orientiert und nicht an behinderten Personen. Im alten Sozialhilferecht gab es solche Pauschalen bei Behinderung, Erwerbsminderung, Alter- diese wurden aber 1997 abgeschafft. Geblieben ist lediglich eine Pauschale bei Gehbehinderung im SGB XII. Personen mit seltenen Erkrankungen haben allerdings Schwierigkeiten diese zu erhalten, weil sie nicht in den Versorgungsrichtlinien auftauchen, was dazu führt, dass diese erstritten werden muss. Auch Mehrbedarfe Ernährung beinhalten nur einige wenige Krankheiten. D.h. idR müssen Mehrbedarfe jahrzehntelang durch die gerichtlichen Instanzen eingeklagt werden,

Hinzu kommt der eklatante Verstoss gegen das Diskriminierungsverbot, die Untätigkeit des Bundesgesundheitsminister hat zur Folge, dass Personen im Sozialleistungsbezug nur bei geringer Fehlsichtigkeit Sehhilfen komplett finanziert bekommen, aber nicht solche mit hoher Fehlsichtigkeit.

Schon die Medien sind nicht in der Lage, diese Missstände zu benennen. Nur einige wenige Berichte vor der Wahl beschreiben allgemein („Hartz IV Beziehende und die Wahl- Wir werden nicht gesehen“, Jörg Wimalasena, taz online, 24.09.21 (https://taz.de/Hartz-IV-Beziehende-und-die-Wahl/!5803425/); “Armut als Wahlkampfthema: Ich kam gar nicht vor“, Okan Belliki, Spiegel online, 25.09.21 (https://www.spiegel.de/politik/deutschland/wie-armutsbetroffene-den-wahlkampf-erleben-ich-kam-gar-nicht-vor-a-d8c66eae-a01f-436e-9d4d-95062cef59c3).

Es ist damit auch klar, dass diese komplexen Sachlagen eher nur Betroffenen bekannt sind und wie schwierig es ist, sich zu wehren.

Diesen Umstand macht sich die Politik zu nutze, denn sie kann darauf bauen, dass diese Verfassungsverstösse öffentlich nicht bekannt werden. In den Debatten des Bundestags geht es schwerpunktmässig die Integration Behinderter in den Arbeitsmarkt (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2021/kw12-de-teilhabestaerkungsgesetz-826536). Dass kranke und behinderte Menschen eines besonderen Schutzes in der Arbeitswelt bedürfen, ist unbestritten. Genauso aber diejenigen, die nicht arbeiten können.

Der Umgang mit der vulnerablen Gruppe der Kranken und Behinderten ist ein Seismograph dafür wie es etwa um Grundrechte und Sozialstaat steht. Die schlechte Versorgung und wirtschaftliche Vulnerabilität dieser Personengruppen beschreibt auch der Deutsche Ethikrat,
(https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/herausforderungen-im-umgang-mit-seltenen-erkrankungen.pdf).

Es wird nicht bemerkt, welche Probleme Armut mit sich bringt, Armut und Behinderung wird nicht bemerkt. Das Thema hat auch keinen Platz im öffentlichen Raum. Wenn überhaupt diskutiert wird, wird oft gesagt, Armut gäbe es hier nicht. Dieses Argument ist natürlich absurd, wieso sollten hiesige Armut anhand von Verhältnissen der dritten Welt gemessen werden.  In Europa gilt, wer weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens hat, ist arm (https://www.europarl.europa.eu/RegData/etudes/IDAN/2016/579099/EPRS_IDA%282016%29579099_DE.pdf). Studien zeigen überdies, es fehlt an Ernährung, Kaputtes kann nicht ersetzt werden, reduziertes Heizen, kein Geld für Kultur und Freizeit (https://www.zeit.de/wirtschaft/2019-01/armut-arbeitslose-ernaehrung-umfrage-essen; https://www.morgenpost.de/vermischtes/article231583329/Hartz-4-IV-Empfaenger-heizen-Jobcenter-Heizkosten.html). Dabei haben wir in Deutschland eine sich verfestigende Armut (https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2021/03/PD21_113_p001.html).

Die Politik nimmt all dies nicht zur Kenntnis, ganz im Sinne des Merkelismus, also einer Politik, die behauptet, es sei alles in Ordnung und weder die Realität zur Kenntnis nimmt, sich noch im Kritik schert. Medien und Öffentlichkeit machen es ihr sehr leicht.

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