ARMUT KLASSISMUS KRANK UND BEHINDERT

Arm dran: keine Sehhilfen für stark kurzsichtige Alg II Bezieherin und auch keine Waschmaschine, Pandemie, Hygiene- egal. Behörden ignorieren verfassungsrechtliche Vorgaben. Strafanzeige gestellt.

Da die verantwortlichen Behörden, Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bundesagentur für Arbeit, Jobcenter Pankow die verfassungsrechtlichen Weisungen hierzu seit 2014 ignoriert, ist eine Umsetzung nur durch eine Strafanzeige zu erreichen. Auch sonst ist die Situation von armen Behinderten als strukturelle Diskriminierung zu werten.

Während sich die Bundesregierung großzügig gibt und  wegen Corona damit wirbt, dass nun im Hartz IV Bezug (zeitlich beschränkt) höhere Mieten bezahlt und keine Vermögensprüfung stattfindet, werden hinter den Kulissen die verfassungsrechtlichen Massgaben zum Existenzminimum unterlaufen.

Bundesministerium für Arbeit und Soziales, Bundesagentur für Arbeit und Jobcenter als Behörden, wo das Wesen der Tätigkeit in der Rechtsanwendung liegt, setzen die Massgaben der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 23.07.14 (1 BvL 10/12, 1 BvL 12/12, l BvR 1691/13), die erklärt, dass Sehhilfen und Weisse Ware nicht hinreichend im Hartz IV Regelsatz eingestellt ist und daher auf Antrag zu bewilligen sind, seit 6 Jahren nicht um.  Obwohl auch ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags 2018 noch einmal feststellte, dass Sehhilfen von Betroffenen nicht finanziert werden können, ist seitdem nichts passiert.

Die Verletzung der Grundrechte ist gravierend, (Missachtung des Rechts auf Menschenwürde  (Art. 1 Abs. 1 GG) und damit verbunden das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG), wenn sich übliche Hilfsmittel nicht gekauft werden können und der Alltag mit mangelnder Sehleistung bewältigt werden muss („eine ausreichende Sehfähigkeit (auch für die Ferne) ist  erforderlich, um unnötige Gefährdung für sich und andere nach Möglichkeit auszuschließen- so schrieb das Sozialgericht Frankfurt/Main, das bereits 2016 ein Jobcenter dazu verurteilte, Sehhilfen zu übernehmen (Az. S 19 AS 1417/13) und übliche Technik zu Sauberkeit und Hygiene verweigert werden. Mag man auch persönlich Alg II Bezieher*innen nicht das Schwarze unterm Nagel gönnen, so macht es doch Sinn, auch solchen Personen, Ausgaben für Gesunderhaltung, Sauberkeit und Hygiene zu zugestehen, da davon auch die Allgemeinheit profitiert.

In der Entscheidung wird festgestellt, dass Weisse Ware /Haushaltsgeräte und Sehhilfen nicht hinreichend im Regelsatz eingestellt sind.  Auf ein Darlehen kann nur verweisen werden, wenn die Regelbedarfsleistung so hoch bemessen ist, dass entsprechende Spielräume für eine Rückzahlung bestehen. Tatsächlich dürfte ein solcher Spielraum nicht bestehen, da keinerlei als Luxus zu betrachtende Ausgabenpositionen eingestellt sind. Zumal im vorliegenden Fall dargetan wurde, dass wegen seltener, systemischer Erkrankung schon zuvor Anträge auf Mehrbedarfe gestellt und teilweise auch schon an den Sozialgerichten anhängig sind.

Hinzu kommt, dass die Betroffene trotz sehr günstiger Miete, mtl. 43,70 € zu wenig an Heizkosten erhält, da diese wegen Substandard Wohnung höher sind und laut Urteilen der Obergerichte auch zu übernehmen sind, so lange die Gesamt-Miete die Kosten der Unterkunft nicht übersteigt. Die Gesamtmiete liegt deutlich darunter, erhalten andere wegen Corona deutlich mehr Miete, wird hier nicht einmal die ohnehin günstige Gesamtmiete übernommen. Auch die Gebühren für den Mieterverein in Höhe von 4,50 € mtl., die in Berlin seit 2019 übernommen werden, müssen seitdem erstritten werden. Insofern besteht kein Raum für Umsichtungen oder Rückzahlungen von Darlehen.

Tatsächlich konnten die hier übergangsweise wegen Dringlichkeit besorgten Privatkredite nicht mehr bedient werden, was dazu führte, dass die Sehhilfen nicht abgeholt werden konnten und die bereits besorgte Waschmaschine zum Kauf angeboten werden musste.

Die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts binden die Verfassungsorgane des Bundes und der Länder sowie alle Gerichte und Behörden. Somit hätten der Vorsitzende der Bundesagentur für Arbeit und der Geschäftsführer des Jobcenter Pankow diese Ansprüche über entsprechende Weisungen verfassungskonform auszulegen gehabt und der Bundesminister für Arbeit und Soziales hätte eine entsprechende Gesetzesvorlage einzubringen gehabt, der hier einen Anspruch auf einen Zuschuss neben dem Regelbedarf schafft. Hier zeigt sich wieder, dass nicht einmal verfassungsrechtliche Auflagen interessieren, wenn es um die Belange Armer geht (die negative Haltung der Politik gegenüber den Belangen Armer hatte schon die Studie von Armin Schäfer, „Dem Deutschen Volke? Die ungleiche Responsivität des Bundestages, 2017 festgestellt).

Da es eine Zumutung ist, dass die Umsetzung dieser Massgabe erneut über lange sozialrechtliche Instanzen pro Einzelfall erstritten werden muss blieb als letztes Mittel die amtierenden Verantwortlichen strafrechtlich wegen Rechtsbeugung zu belangen. Anders ist eine Einhaltung nicht zu erzwingen. „Wir müssen lernen die politische Klasse wieder ernsthaft herauszufordern.“*). Und zwar ganz konkret.

Unverständlich, dass die SPD in ihrem aktuellen Wahlprogramm nun barmt: „das Bürgergeld solle sicherstellen, dass eine kaputte Waschmaschine nicht zur untragbaren Last werde“- sie hatte seit Sommer 2014 die Zeit und mit der Regierung des zuständigen Ministeriums die Pflicht, die Massgaben des Bundesverfassungsgericht in einem Gesetzesverfahren einzubringen. Dies hat sie nicht getan.

Im übrigen glänzen alle Bundesregierungen darin, die Bedarfe niedrigst zu rechnen. In der Entscheidung wird festgestellt, dass auch Kosten für Mobilität und Strom grenzwertig sind. Bundestag, Paritätischer Wohlfahrtsverband und andere monieren seit Jahren, dass der Regelbedarf deutlich zu gering angesetzt wird. Das Statistikmodell fragt nicht nach nötigen Ausgaben, sondern lässt nur das zu, was sich die untersten 15% noch leisten können (wovon dann noch einmal Abstriche vorgenommen werden, kein Regenschirm, Weihnachtsbaum, Textilreinigung (da solche Personen keine hochwertige Kleidung brauchen, Kamera, und vieles mehr; fraglich ist auch inwieweit Haushalte rausgerechnet sind, die einen Anspruch auf SGB Leistungen hätten). Im Regelsatz sind PC oder ähnliches nicht vorgesehen- Information, Bildung und Kommunikation im Netz werden offensichtlich als unnötig erachtet. Die realen Preissteigerungen, insbesondere betrifft dies Nahrungsmittel, Strom, werden bei der Fortschreibung nicht abgebildet.

Für chronisch, mehrfach, systemisch oder multisystemisch, auch an seltenen Krankheiten Erkrankte oder Behinderte ist die geringe Pauschale für Gesundheitsbedarfe ein großes Problem. Auch die Lebenshaltungskosten liegen höher, z.B. durch besondere Diäten, Nahrungsergänzungsmittel (wegen Malabsorption/Maldigestion), Kosten aus ausgegliederten Kassenleistungen, Bekleidung, Heizkosten wegen Krankenzimmertemperatur, technische Haushaltshilfen/Haushaltsgeräte, auch Reisekosten- nicht immer sind spezialisierte Ärzt*innen vor Ort, etc.. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 stellte fest, der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers/jeder individuellen Grundrechtsträgerin deckt(BVerfG, 09.02.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09).  Mit § 21 Abs.6 SGB II wurde zwar eine Anspruchsgrundlage geschaffen. Praktisch jedoch müssen wiederum die Mehrbedarfe mühsam in jahrelangen Prozessen durch die Instanzen geklagt werden, wobei die geltend gemachten Kosten schon sofort anfallen. Wer nicht die Fachliteratur seiner Erkrankung kennt, wird die von den Gerichten bestellten Gutachter*innen kaum überzeugen können. Auch insofern kann von der Einhaltung des Art 3. Abs. 3 GG (Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden) nicht die Rede sein.

Der Ethikrat wies bereits 2018 auf die schlechte Versorgung und wirtschaftliche Vulnerabilität von von einer seltenen Krankheit Betroffenen hin. Bis 1996 sah das Bundessozialhilfegesetz pauschale Mehrbedarfe bei Erwerbsminderungs- und Altersrentner*innen und behinderten Personen vor. Personen, die nicht auf die Existenzsicherung angewiesen sind, können steuerlich Mehrbedarfe nach Grad der Behinderung geltend machen. Einige solcher Kosten fallen aber auch an, wenn kein Einkommen besteht. Die Politik verweigert angemessene Regelungen am Boden des Sozialsystems. Je mehr „Negativ“merkmale ein Mensch hat, desto schwieriger wird es (Sehbehinderung, andere Mehrbedarfe wegen Krankheit, kaputte Waschmaschine, Substandard Wohnung etc.).

Im vorliegenden Fall stellte das Jobcenter Pankow, nachdem die Anträge zu Mehrbedarfen wegen Krankheit gestellt waren, zwei Mal bei sich bietender Gelegenheit die Zahlung des Alg II komplett ein (sog. kalte Sanktion). Jeweils eine Woche am Monatsanfang (wo auch die Mietzahlung fällig war) war die Betroffene dann ohne Existenzminimum, bis eine Zahlung wieder erreicht werden konnte. Anscheinend werden behinderte Menschen als Kostenlast betrachtet und man hofft durch die ad hoc Einstellung des Existenzminimums auf die Extinktion jener. In den Jobcentern findet eine dezentrale Einzelfallbehandlung abseits der Öffentlichkeit statt. Schikane und Willkür erwartet diejenigen, die es wagen, ihre Rechte geltend zu machen.

Schliesslich wurde Hartz IV geschaffen, Sozialleistungen, Einkommenssteuerfreibetrag und Löhne niedrig zu halten. Die hohen Kosten zur juristischen Verfolgung dieses Unrechts spielen allerdings wieder keine Rolle. Erstaunlich ist, dass sich die Politik hochmoralisch darstellt und in der öffentlichen Wahrnehmung, (noch) alles in Ordnung ist.

Wer Hartz IV bezieht, wird hingegen sozial isoliert. Zum einen wird ein Bild von Politik und Medien geprägt, wo die Betroffenen wahlweise als faule Sozialschmarotzer, dumm und unfähig dargestellt oder zur Belustigung in Hartz IV Soaps ausgestellt werden. Zum anderen ermöglicht der Regelsatz keine Teilhabe.

Ob nun das „Bürgergeld“ der SPD, die „Garantiesicherung“ der Grünen und selbst bei dem „Bedingungslosen Grundeinkommen“ der Linken, immerhin mit einer Zahl versehen (1200 € mtl.) sind unkonkret.  Wie sollen die Bedarfe ermittelt werden (etwa Warenkorbmodell), werden fairtrade und ökologische Massgaben berücksichtigt, was ist  mit Preissteigerungen, etwa bei Mieten, was ist mit den Einzahlungen in die Sozialversicherungen (Alg II Bezieher*innen zahlen ja nur einen deutlich reduzierten Beitragsatz in der Krankenversicherung ein, zu Lasten der anderen Beitragszahler*innen),  was ist mit dem Rundfunkbeitrag (im Moment erlassen, es sind auch Sehhilfen und ein technisches Medium nicht im Existenzminimum eingepreist)?, was ist mit anderen Vergünstigungen die z. B. berlinpass-Inhaber*innen bekommen können (Tickets, Kurse, Verhütungsmittel u.a.)?, was ist mit Mehrbedarfen, bei Krankheit, Behinderung, im Alter?

Problematisch ist, dass Betroffene nicht gehört werden- im aktuellen Verfahren um die Wiedereingliederung der Sehhilfen in die Krankenkassenleistung, erklärte beispielsweise die Caritas, dass Brillengestelle nicht übernommen werden müssten, da diese günstig seien. Die „Expertise“ stellt aber nicht die nächste logische Frage, die lautet: können diese Gestelle auch bei hohen (und teuren) Fehlsichtigkeiten genutzt werden? Bei hoher Kurzsichtigkeit kommen wegen der Dicke der Gläser (auch wenn die Krankenkasse  aktuell schon einen Brechungsfaktor im seit 2019 eingeführten Kassenanteil bei über 6 Dioptrien Fehlsichtigkeit übernimmt- ca. 1/3 der Gesamtkosten) nur stabile und bestimmte Brillenmodelle in Frage, die nun nicht mehr günstig sind. Auch Bürgerbeteiligungen werden dieses Problem nicht ändern. Denn auch hier bleiben Betroffene außen vor.


*
Alexander Brentler, Die dritte deutsche Welle, Jacobin, 05.03.21

6 Kommentare

  1. Die aktuelle Stellungnahme des Bundesrats schreibt dazu:
    „Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass die EVS auch für langlebige und kostenintensive Konsumgüter (weiße Ware) keine geeignete Grundlage für die sachgerechte Bedarfsermittlung darstellt. Der in Abteilung 05 angesetzte Betrag für die Anschaffung von Kühlschränken, Gefriertruhen, Waschmaschinen, Wäschetrockner oder Geschirrspülmaschinen ist so gering angesetzt, dass ein Ansparen kaum möglich ist. Regelmäßig wird hier ein Darlehen für die Anschaffung von Elektrogroßgeräten zu beantragen sein. Die Kosten für die in Abteilung 05 einbezogenen Positionen fallen regelmäßig nicht monatlich oder im Erfassungszeitraum von drei Monaten im Rahmen der EVS an. Insofern entsprechen die aufgeführten Beträge nicht dem für die Existenzsicherung notwendigen Bedarf. Es ist daher unverändert fragwürdig, die Kosten für Elektrogroßgeräte zu pauschalieren. Der Bundesrat wiederholt seine Forderung, für den Erwerb von Elektrogroßgeräten die gesetzlichen Grundlagen für einen eigenen Leistungsanspruch auf einen Zuschuss neben dem Regelbedarf zu schaffen.“ (Bundesrat, Drucksache 486/20 vom 09.10.20, Stellungnahme zu Entwurf eines Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch sowie des Asylbewerberleistungsgesetzes).

    Und „ Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der Betrag, der für Sehhilfen und therapeutische Mittel und Geräte in Abteilung 06 – Gesundheitspflege – mit lediglich 2,23 Euro monatlich ausgewiesen ist, deutlich zu gering bemessen ist. Eine Deckung der Anschaffungskosten für eine Sehhilfe aus dem jeweiligen Regelsatz ist daher kaum möglich, so dass hier regelmäßig ein Darlehen zu beantragen sein wird. Da dieser Bedarf nicht bei allen Leistungsbe-zieherinnen und Leistungsbeziehern anfällt, sind die gesetzlichen Grundlagen für eine Berücksichtigung als zusätzliche Leistung neben dem Regelbedarf zu schaffen.“ (ebd.).

    https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2020/0401-0500/486-20(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1

    Und der Tacheles Kommentar
    https://tacheles-sozialhilfe.de/startseite/tickerarchiv/d/n/2703/

  2. Hier noch die Quellen
    Weisse Ware, Haushaltsgeräte (dazu gehören Waschmaschinen) und Sehhilfen sind im Regelsatz des Alg II unterdeckt. „Nach der vorliegenden Berechnungsweise des Regelbedarfs ergibt sich beispielsweise die Gefahr einer Unterdeckung hinsichtlich der akut existenznotwendigen, aber langlebigen Konsumgüter, die in zeitlichen Abständen von mehreren Jahren angeschafft werden, eine sehr hohe Differenz zwischen statistischem Durchschnittswert und Anschaffungspreis. So wurde für die Anschaffung von Kühlschrank, Gefrierschrank und -truhe, Waschmaschine, Wäschetrockner, Geschirrspül- und Bügelmaschine (Abteilung 05; BTDrucks 17/3404, S. 56, 140) lediglich ein Wert von unter 3 € berücksichtigt. Desgleichen kann eine Unterdeckung entstehen, wenn Gesundheitsleistungen wie Sehhilfen weder im Rahmen des Regelbedarfs gedeckt werden können noch anderweitig gesichert sind (vgl. BVerfGE 125, 175 <252 ff.>).“ (BVerfG, 23.7.2014, 1 BvL 10/10, 1 BvL 12/12, l BvR 1691/13, Rn. 120)

    „Fehlt die Möglichkeit entsprechender Auslegung geltenden Rechts, muss der Gesetzgeber einen Anspruch auf einen Zuschuss neben dem Regelbedarf schaffen. Auf ein nach § 24 Abs. 1 SGB II mögliches Anschaffungsdarlehen, mit dem zwingend eine Reduzierung der Fürsorgeleistung um 10 % durch Aufrechnung nach § 42a Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 24 Abs. 1 SGB II ab dem Folgemonat der Auszahlung verbunden ist, kann nur verwiesen werden, wenn die Regelbedarfsleistung so hoch bemessen ist, dass entsprechende Spielräume für Rückzahlungen bestehen“ (BVerfG, 23.7.2014, l BvL 10, 12/12, l BvR 1691/13, Rn. 116).

    „Tatsächlich dürfte mangels Berücksichtigung irgendwelcher auch nur annähernd als Luxus zu betrachtender Ausgabenpositionen keinerlei Spielraum für einen internen Ausgleich mehr bestehen. Deshalb ruft das BVerfG auch sehr deutlich die Fachgerichte dazu auf, Einzelleistungen durch verfassungskonforme Auslegung zu ermöglichen“ (Nomos, Existenzsicherungsrecht, 2019, Kap 25, Rn 139).

    „Erst in der Zusammenschau der insgesamt tatsächlich zur Verfügung stehenden Leistungen kann entschieden werden, ob das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums verletzt ist. Den Existenzsicherungssystemen kommt dabei allerdings eine besondere Rolle zu: Als letztes Netz des Systems der Sozialen Sicherheit müssen sie aus verfassungsrechtlicher Sicht zwingend die Lücken füllen, die von den vorrangigen Systemen gelassen werden.“ (Nomos, Existenzsicherungsrecht, 2019, Kap 24, Rn 6).

    Der gesetzliche Leistungsanspruch muss so ausgestaltet sein, dass er stets den gesamten existenznotwendigen Bedarf jedes individuellen Grundrechtsträgers/jeder individuellen Grundrechtsträgerin deckt (BVerfG, 9.2.2010,“ 1 BvL 1/01, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, Rn. 136).

    Kostenübernahme für Sehhilfen im Rahmen des SGB II/SGB XII
    Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, 2018 /WD 6 – 3000 – 023/18
    https://www.bundestag.de/resource/blob/559788/5c2259d18af3b5b9ddaa125b180dcdd9/wd-6-023-18-pdf-data.pdf

    Herausforderungen im Umgang mit Seltenen Krankheiten, Deutscher Ethikrat 2018
    https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Ad-hoc-Empfehlungen/deutsch/herausforderungen-im-umgang-mit-seltenen-erkrankungen.pdf

    1. Fehlt es aufgrund der vorliegend zugrunde gelegten Berechnung des Regelbedarfs an einer Deckung der existenzsichernden Bedarfe, haben die Sozialgerichte Regelungen wie § 24 SGB II über gesondert neben dem Regelbedarf zu erbringende einmalige, als Zuschuss gewährte Leistungen verfassungskonform auszulegen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 79/12 R -, juris, Rn. 13 ff.).(BVerfG, 23.7.2014, l BvL 10, 12/12, l BvR 1691/13, Rn. 116)

  3. Auch kommen die Bundesregierungen der 2008 unterzeichneten UN-Behindertenkonvention nicht nach, in den Grundsätzen (Art. 3) wird u.a. genannt:
    Achtung der Menschenwürde, der individuellen Autonomie und Unabhängigkeit,
    Nichtdiskriminierung, volle und wirksame Teilhabe, Akzeptanz , Chancengleichheit, Zugänglichkeit.

    Ohne Bereitstellung der benötigten Gesundheitsleistungen und Lebenshaltungskosten ist Inklusion nicht möglich. Die geschilderte Behandlung verletzt das Grundrecht der Menschenwürde.

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